KAPITEL 1

Wieder zurück

Matt

Ich habe das so vermisst!

Mein Rücken zieht leicht schmerzhaft, als ich mich wieder aufrichte. In der Hand halte ich das letzte Büschel Gras, das sich in den Mulch, in dem die Palmen gesetzt sind, verirrt hat. Aber das Grinsen in meinem Gesicht wird bei dem vertrauten Gefühl nur breiter.

Die letzten drei Jahre habe ich es kaum geschafft, hinter meinem Schreibtisch hervorzukommen. Die Auftragslage war und ist einfach dermaßen gut, dass es eine Person braucht, die den ganzen Tag im Büro sitzt. Die Landschaftsarchitekten und Gärtner, die für mich arbeiten, müssen koordiniert werden. 

Vor ein paar Monaten habe ich jemanden gefunden, der wenigstens einen Teil dieser Routinearbeiten für mich erledigen kann. Somit bin ich endlich wieder frei. Zumindest teilweise. Ab und zu kann ich nun der Arbeit nachgehen, die ich liebe. Ich meine, was macht es für einen Sinn, das Gärtnereibusiness von seinem Vater und dessen besten Freund zu übernehmen, wenn man dann die ganze Zeit nur im Büro sitzt? Da hätte ich gleich Investmentbanker oder etwas ähnlich Deprimierendes werden können.

„Nico?“, tönt plötzlich eine laute Stimme aus dem Haus, Sekunden bevor die breite Glastür zur Seite geschoben wird und ein groß gewachsener, dunkelhaariger Mann heraustritt. Natürlich erkenne ich ihn sofort: Daniel Miller, der größte Star der L.A. Kings, des hier ansässigen NHL-Teams. 

Ich hatte immer wieder einmal darüber nachgedacht, dass ich doch auch professionell Eishockey spielen könnte. Und ich hätte es schaffen können. Zum Glück habe ich noch rechtzeitig gemerkt, dass das in Wahrheit gar nicht mein Traum war, sondern der meines besten Freundes Robert. 

Zehn Jahre vorher:

„Robby, schau dir diese geile Terrasse an!“, rufe ich laut meinem besten Freund zu.

„Psst“, ermahnt mich Robert sofort. Er war schon immer besser darin, Regeln zu befolgen, als ich es wohl jemals sein werde, aber im Moment übertreibt er völlig. Das Haus, um dessen Garten wir uns gerade kümmern, steht leer. Der Besitzer ist irgendein reicher Immobilienhai, der sich größtenteils an der Ostküste aufhält und millionenschwere Appartements in New York vertickt. Die restliche Zeit ist er fast ausschließlich auf seiner Jacht – wenn man seinen Social-Media-Profilen glauben darf. Warum er sich diese coole und sicher nicht ganz billige Hütte in Los Angeles hält, wenn er eh nie da sein kann, ist mir schleierhaft. Aber wer kann reiche Menschen schon verstehen?

„Matt!“ Robbys Stimme klingt eindringlich. „Wir sollen uns um den Garten kümmern.“
„Ach, Robby, entspann dich!“ Ich lache meinen besten Freund aus. „Außer uns ist niemand hier und außerdem sollen wir auch diese Schönheiten versorgen“, sage ich und zeige auf die beiden Palmen, die in großen Töpfen auf der Terrasse stehen.

Schließlich kommt Robert zu mir herauf. Die Hände hat er um die Gießkanne geklammert, damit ja nicht der Verdacht entsteht, dass er etwas Falsches tun könnte. Mit gesenktem Kopf geht er sofort zur ersten Palme, stellt die Gießkanne neben ihr auf den Boden und überprüft die automatische Gießanlage. Sie sollte eigentlich dafür sorgen, dass die Palme uns nicht unbedingt braucht. 

Ich schüttle den Kopf über meinen Freund, gehe aber trotzdem auf ihn zu und lege ihm einen Arm um die Schulter. Für einen Moment versteift er sich, bevor er in meine Umarmung hineinsinkt. So war es schon immer mit ihm. Irgendjemand muss Robby sagen, dass es okay ist, sich zu entspannen. Sonst tut er es nicht.

„Ich will nur keinen Ärger mit unseren Vätern bekommen“, meint er dann leise.

Ich verstehe ihn. Unsere Väter haben sich auf dem College kennengelernt, als der Zufall sie ins gleiche Zimmer steckte. Seitdem sind sie beste Freunde. Nachdem sie ihren Abschluss gemacht hatten, haben sie gemeinsam eine Gärtnerei eröffnet. Diese hat sich auf die Bepflanzung und Betreuung der privaten Gärten der vielen Wohlhabenden hier in Los Angeles spezialisiert. Sie sind völlig ohne Kontakte und ohne Hilfe gestartet. Haben über Jahre quasi rund um die Uhr gearbeitet, um aus einer wahrscheinlich etwas blöden Idee, ein florierendes Business zu machen.

Und florierend ist es im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Blick auf den Garten unter uns genügt. Dad und Emil, Robbys Vater, haben sich darauf spezialisiert Gärten nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu betreuen. Komplett bio und ohne Spritzmittel selbstverständlich. Aber auch wassersparend und mit möglichst einheimischen Pflanzen. Es hat ein paar Jahre gedauert, doch dann schlug ihr Konzept voll ein.

Robby und ich haben von klein auf immer mitgeholfen. Ähnlich wie unsere Mütter und Geschwister. Trotzdem ist dieses Jahr das erste Mal, dass wir offiziell bei „Beau Flowers“ arbeiten dürfen. Der Firmenname ist übrigens eine mehr oder weniger glücklich gewählte Zusammenführung unserer beider Familiennamen Beaurump und Floweritt. Unsere Väter streiten es zwar vehement ab, aber ich bin mir sicher, dass diese Kombi nichts damit zu tun hat, dass Beau im Französischen schön bedeutet oder Flower im Englischen Blume. Und dass das für eine Gärtnerei doch absolut passend ist. Nein, wenn man mich fragt, war dieser Name das Ergebnis einer durchzechten Nacht. Aber mich fragt ja niemand.

Trotzdem verstehe ich, worauf Robby hinaus will. Dass sie uns erlauben, bereits nach einer Woche in diesem Ferialjob allein einen Garten zu betreuen, zeigt, was für ein großes Vertrauen unsere Väter in uns setzen. Wenn wir Fehler machen, könnte das Konsequenzen für das Geschäft haben. Ein Geschäft, das mindestens ebenso sehr ein Baby für unsere Väter ist, wie wir beide ihre Kinder sind.

„Das will ich doch auch nicht“, gebe ich zurück. „Aber die beiden werden nichts dagegen haben, wenn wir für zwei Sekunden hier die Aussicht genießen.“
Dem scheint Robby nichts entgegenzusetzen zu haben, denn er folgt mir willig. Ich fange an, mich langsam im Kreis zu drehen. Mein Arm bleibt dabei auf seiner Schulter liegen und ich genieße seine Nähe. Unsere Blicke wandern über die beiden Palmen vor uns, weiter zur großzügigen Glasfront des Gebäudes, dem Pool, der sicher mindestens halbe olympische Maße hat, und zu dem darunter liegenden, perfekt gepflegten Garten. 

„So wirst du auch wohnen, wenn du dann in der NHL spielst“, flüstere ich Robby zu.

Dieser schüttelt vehement den Kopf.

„So werden wir wohnen, wenn wir in der NHL spielen“, entgegnet er bestimmt. 

Lachend drücke ich meinem besten Freund einen Schmatz auf die Wange. Er ist einfach zu süß! Die leichte Röte, die sich bereits in sein Gesicht geschlichen hat, seit ich den Arm um ihn gelegt habe, vertieft sich und in meinem Bauch kribbelt es aufgeregt.

Ich schlucke schwer und dränge das Gefühl zur Seite. Was Robby nicht weiß – das einzige Geheimnis, das ich je vor ihm bewahrt habe, ist, dass er für mich mehr ist als lediglich mein bester Freund. Aber ich fürchte, das ist ein Geheimnis, das ich mit ins Grab nehmen werde.

Robby ist schon seit über einem Jahr mit Melanie, einem Mädchen aus unserem Jahrgang, zusammen. Offensichtlich ist er nicht an Männern interessiert und ich habe panische Angst, was passieren könnte, wenn er herausfinden würde, dass das bei mir anders ist. Dass ich nicht nur auf Männer stehe, sondern ganz speziell auf ihn. 

Um die unerwünschten Gefühle zu überspielen, haue ich Robby einmal fest auf den Hintern. „Keine Müdigkeit vorschützen, Beaurump. Wir haben noch einiges zu tun.“ Ich rufe den Satz übertrieben fröhlich. So als wäre nicht ich derjenige gewesen, der diese Pause initiiert hätte.

Und jetzt stehe ich wieder hier. Im selben Garten. Das Haus hat in den letzten zehn Jahren dreimal den Besitzer gewechselt. Aber jeder hat weiterhin Beau Flowers für die Gartenbetreuung behalten. 

Und ich stehe hier und sehe auf ein glückliches Paar. Ein glückliches, queeres Paar. Von denen einer sogar ein berühmter Eishockeyspieler ist. 

Es fühlt sich so an, als wäre ich kopfüber in ein anderes Universum gestürzt, denn ich dachte, dass das nie möglich wäre.

Und Robby auch nicht.

Robert

Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich aufs Eis trete. Heute bin ich durchaus nervös. In wenigen Stunden findet unser erstes Spiel in der Vorsaison statt. Obwohl es bereits meine fünfte Saison in der NHL ist, ist es heute etwas anderes.

Nach sieben Jahren an der Ostküste bin ich wieder zurück an die Westküste … und nicht nur das. Ich bin jetzt offiziell der Tormann der Anaheim Ducks. 

Anaheim ist eine Stadt vor den Toren von Los Angeles – meiner Heimatstadt. Mein Elternhaus ist nur eine knappe halbe Stunde vom Honda Center, der Heimstätte der Anaheim Ducks entfernt. In dieser Arena befinde ich mich gerade für ein leichtes Vormittagstraining, bevor es abends zum Spiel geht.

Auf der einen Seite freue ich mich, wieder näher bei meiner Familie zu sein. Ich habe meine jüngere Schwester Valerie sehr vermisst. Sie ist schon seit Kindheitstagen meine engste Vertraute.

Auf der anderen Seite habe ich die letzten Jahre durchaus mit Absicht Abstand zu meiner Verwandtschaft gehalten. Nicht weil ich meine Eltern nicht mag. Aber meine Familie ist untrennbar mit Matts verbunden. Und Matt und ich …

Ich seufze und dränge die Gedanken zur Seite, während ich mit ausholenden Bewegungen auf mein Tor zufahre.

Wie immer berühre ich kurz die rechte und die linke Torstange mit meinem Schläger, bevor ich die Querstange zweimal mit dem Fanghandschuh antippe. Das vertraute Ritual lässt mich etwas ruhiger werden. Dann sinke ich aufs Eis und dehne mich. Beweglichkeit ist für einen Goalie unglaublich wichtig. 

Scooby, einer unserer Stürmer, der sich den Spitznamen verdient hat, weil er eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem Comic-Hund Scooby-Doo aufweist, kommt auf mich zu und fragt, ob er mich einschießen soll. Das ist eines der guten Dinge, mit denen ich nicht gerechnet hatte, als ich in Philadelphia meine Sachen gepackt und zurück nach Kalifornien gezogen bin. Das Team hat mich mit offenen Armen aufgenommen. Sie hatten die letzten Jahre etwas Pech mit ihren Goalies und waren überglücklich, mich an Bord zu haben. Ich bekomme jede Unterstützung, die ich mir nur wünschen könnte.

Gerne nehme ich Scoobys Angebot an. Für ein paar Minuten arbeiten wir konzentriert, bis es Zeit wird, für Scooby sich selbst etwas aufzuwärmen, bevor es losgeht. 

Wir haben nicht nur das Pech, dass wir unser erstes Spiel gegen unseren Erzfeind, die im „Nachbarort“ ansässigen L.A. Kings, bestreiten. Sondern wir sind auch die Auswärtsmannschaft und können daher nicht in unserer eigenen Arena vor unserem Heimpublikum spielen.

Es ist etwas seltsam, dass wir unser heutiges Aufwärmen trotzdem hier machen können. In Philadelphia war kein anderes Team so nahe, dass das möglich gewesen wäre. Hat seinen Charme. Ist aber, wie gesagt, ein etwas komisches Gefühl.

Ein Vorteil der nahe beieinander liegenden Spielstätten ist natürlich, dass heute auch viele unserer Fans anreisen werden. Doch es ist trotzdem nicht das Gleiche, als wenn man zu Hause spielt. 

Auf der anderen Seite ist das nur ein Pre-Saison-Spiel und zählt für die Endwertung überhaupt nicht. Unser erstes „richtiges“ Spiel in der regulären Saison gegen die Kings spielen wir dann zu Hause. Ich sehe das einmal als ein positives Omen. 

Nervös bin ich aber wegen alledem nicht. Aufgeregt bin ich, weil heute meine ganze Familie vor Ort sein wird – wie jedes Mal, wenn ich in den letzten Jahren gegen L.A. gespielt habe. Was allerdings nicht oft war. Die NHL ist in vier Divisionen geteilt, die größtenteils geografisch sinnvoll sind, um zu lange Reisezeiten zu vermeiden. Während der regulären Saison spielt man kaum gegen Teams, die nicht in der eigenen Division sind. 

Aber jetzt ist alles anders. Nicht nur bin ich in der gleichen Division wie die Kings, Matt und mein Vater haben Saisonpässe für die Kings, seit wir Kinder waren. Sie haben bereits versprochen, zusätzlich auch zu meinen Spielen zu kommen.

Und sie kommen nicht allein. Heute gibt es ein großes Familientreffen in der Crypto.com Arena der Kings. Alle werden da sein. Meine Eltern. Meine Schwester. Matts Eltern, seine Brüder und Schwester. Und natürlich Matt selbst.

Zehn Jahre vorher:

Ich kann mein Grinsen kaum zurückhalten. Nicht nur, dass wir heute früher mit der Arbeit aufhören durften. Unsere Väter waren dermaßen zufrieden damit, wie Matt und ich in den letzten beiden Wochen unseren Job gemacht haben, dass sie uns ihre Saisonpässe für den heutigen Abend überlassen haben. 

Ich kann es kaum glauben! Alle erwarten ein spannendes Spiel. Die Kings führen in der Pacific Division und heute spielen sie gegen eines der besten Teams in der ganzen Liga: die Boston Bruins. Ihr Goalie, Mika Hamhus, ist mein großes Vorbild. Die Art und Weise, wie er sich bewegt. Wie er den Puck aus den scheinbar unmöglichsten Positionen noch erwischt. Diese Beweglichkeit und Eleganz … Ich hoffe, dass ich eines Tages auch so gut bin!

Selbstverständlich hängt ein großes Poster von ihm in voller Montur über meinem Schreibtisch. Und ein kleineres Bild, das ich aus einer Zeitschrift herausgerissen habe, ist in der Schublade meines Nachtkästchens. Mika Hamhus oberkörperfrei. Nur mit einem Goalieschläger in der Hand. Der herrlich schlanke Körper, unter dessen Haut sich die wunderbar ausgebildeten Muskeln, die klar zu sehen sind, abzeichnen. Nicht zu stark natürlich. Ein Goalie braucht in erster Linie Schnelligkeit und Beweglichkeit. Zu viel Bulk ist eher hinderlich. Mika Hamhus ist in diesem Bereich absolut perfekt. Aber warum er es in mein Nachtschränkchen geschafft hat, ist eine andere Geschichte …

Schnell finden Matt und ich die vertrauten Sitze unserer Väter. Viele Stunden haben wir schon hier verbracht. In diesem Stadion. Auf diesen Sitzen. Heute hält es mich allerdings kaum darauf. Ich sitze komplett am Rand und rutsche unruhig hin und her. Ich kann es nicht erwarten, bis es endlich losgeht.

Auch bin ich etwas hin- und hergerissen, wen ich bei dieser Begegnung unterstützen soll. Meine ganze Familie ist ein einziger L.A.-Kings-Fanclub. Und natürlich sitzen wir hier auch im Sektor der absoluten Superfans der Kings. Aber Mika Hamhus …

Matt legt mir eine Hand auf meinen Unterarm. Dann, nachdem er einen Blick in die Runde geworfen hat und sich sicher ist, dass uns niemand beobachtet, hebt er das Trikot der L.A. Kings, das er trägt, hoch. Darunter sehe ich ein schwarzes T-Shirt. Als er das Trikot noch etwas höher schiebt, wird das Logo der Boston Bruins sichtbar.

Oh, mein Gott! Ich kann es kaum glauben. Als Verteidiger weiß Matt gute Goalies zu schätzen, deswegen habe ich ihm vor ein paar Monaten zu seinem Geburtstag ein T-Shirt der Bruins mit Mika Hamhus’ Namen auf der Rückseite geschenkt. Dass er das heute angezogen hat … Matt ist einfach der Beste! Ich kann mein Glück kaum fassen, so einen tollen besten Freund zu haben.

Wie von allen prophezeit, ist das Spiel von Anfang an spannend. Bereits im ersten Drittel macht Mika Hamhus fünf unglaubliche Safes. Dreimal angelt er den Puck mit der Fanghand aus der Luft, als wäre es nichts. Einmal dreht er sich dermaßen schnell auf dem Eis, als ein Angreifer zu seinem Teamkollegen passt, dass mir fast schwindelig wird. Und der fünfte Safe … der wird wohl in die Geschichte der NHL eingehen. Mika Hamhus lag bereits auf dem Bauch, nachdem er den Puck abgewehrt hatte, aber er konnte die Scheibe nicht unter Kontrolle bekommen. Ich hielt die Luft an, als die Nummer 47 der Kings zu einem mächtigen Schlagschuss ansetzte. Hamhus wird keine Chance haben … Doch was machte dieser Ausnahmetormann? Er schaffte es, immer noch auf dem Bauch liegend einen Fuß so zu heben, dass der Puck davon abprallte und zurück auf das Spielfeld fiel – genau vor die Schlägerschaufel eines seiner Verteidiger.

Adrenalin pumpt durch meinen Körper, als es in die Pause geht. Meine Wangen fühlen sich heiß an – ich bin mir sicher, dass sie gerötet sind. Aber wer könnte es mir verdenken nach all der Aufregung. Ich wäre mehr als glücklich, wenn mir nur einer dieser fünf gewaltigen Safes in einem ganzen Spiel gelingen würde und nicht fünf davon allein im ersten Drittel. Was sage ich da? Ich wäre schon glücklich, wenn ich fünf solche Safes in einer kompletten Saison zusammenbringen würde.

„Lass uns kurz in den Fanshop schauen“, meint Matt schließlich, als die Spieler zur ersten Pause in der Kabine verschwunden sind.

„Okay“, willige ich ein. Ich bin dermaßen hin und weg – ich würde im Moment wohl zu allem Ja sagen.

Kurze Zeit später drängen wir uns mit Massen an anderen Zuschauern in das viel zu enge Geschäft. Doch Matt zieht mich bestimmt in den kleinen Bereich in der linken hinteren Ecke des Shops. Heute werden hier anlässlich des gerade laufenden Spieles ein paar Fanartikel der Boston Bruins verkauft.

„Such dir was aus!“, fordert Matt mich auf.

Ich schaue ihn erstaunt an.

Matt zuckt nur mit den Schultern, ein freches Funkeln in den Augen. „Ich schulde dir noch ein Geburtstagsgeschenk.“

Das ist allerdings wahr. Obwohl Matt nur sechszehn Tage vor mir Geburtstag hat, vergisst er fast immer, mir etwas zu schenken. Es ist keine böse Absicht. Für Matt spielt Zeit einfach eine untergeordnete Rolle. Er kann wissen, dass sein Geburtstag ist und auch, dass ich circa zwei Wochen später ebenfalls meinen Ehrentag habe. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass er daraus schließt, dass sein Geburtstag bedeutet, dass er sich um mein Geschenk kümmern könnte. Aber ehrlicherweise stört mich das Ganze überhaupt nicht. Das ist einfach Matt – wie er leibt und lebt.

Dafür freut es mich umso mehr, dass er jetzt daran denkt. Schnell durchsuchen wir alle Fanartikel. Leider ist es wie immer: Von den Goalies gibt es kaum etwas. Es ist einfach nur frustrierend!

Dann nimmt Matt das letzte Trikot, das ganz hinten hängt, in die Hand. Er dreht es um und ein strahlendes Lächeln zieht sich auf sein Gesicht. Ich weiß schon, bevor er das gute Stück umdreht, was auf dem Rücken stehen wird.

Aber ich schüttle gleich den Kopf. Ein T-Shirt ist eine Sache, aber diese originalen Trikots sind unglaublich teuer. Doch Matt wischt meine Bedenken mit einer sorglosen Geste zur Seite. „Komm schon. Erstens verdienen wir dieses Jahr endlich richtiges Geld und zweitens“, sein Lächeln wird schief, „betrachte es als Entschuldigung, dass du deine Geburtstagsgeschenke von mir immer mit Verspätung erhältst.“

Ich trete nach vorne und lasse meine Finger andächtig über den atmungsaktiven Stoff des Trikots streichen. Die aufgestickten Buchstaben des Namens des berühmten Goalies fühlen sich wunderbar an. „Bist du dir ganz sicher?“

Matt nickt mit einem breiten Grinsen.

In meinem Bauch braut sich etwas zusammen. Ja, da ist Freude. Und Dankbarkeit. Wie viele Menschen können schon von sich selbst behaupten, so einen perfekten besten Freund zu haben? Aber da ist noch mehr. Viel mehr. Und es hat mit dem Grund zu tun, warum es ein Bild von einem oberkörperfreien Mika Hamhus in die Schublade meines Nachtschränkchens geschafft hat.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Irgendetwas flammt in Matts Blick auf. Ich kann nicht mehr anders. Ich trete einen weiteren winzigen Schritt nach vorne. Das Trikot, das Matt immer noch in der Hand hält, wird zwischen unseren beiden Körpern eingeklemmt. Dann finden meine Lippen wie von selbst die von Matt.

Für einen Moment reagiert er kaum. Mein Gehirn beginnt schon zu feuern. All die Ängste und Zweifel, die sich dort breitgemacht haben, seit ich entdeckt habe, dass ich auf Männer stehe, drohen nach oben zu quellen. Aber bevor die innere Stimme, die mich bereits seit Jahren davon abhält, Matt zu küssen, auch nur einen Pieps machen kann, landet seine Hand schwer und fordernd in meinem Nacken. Und er küsst mich zurück.

Matt. Küsst. Mich. Zurück.

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