Und wieder sitze ich in einer geräumigen und eleganten, aber unauffälligen schwarzen Limousine, während mich mein treuer Diener Max durch eine Stadt chauffiert, die mir wie jede andere erscheint. Leise prasselt der Regen gegen die kalten Fensterscheiben. Ich beobachte, wie ein Tropfen zu einem Rinnsal wird und langsam die Scheibe hinunterläuft. Das rote Licht der Ampel taucht auch den Innenraum des Mercedes in ein fast gruseliges Licht. Ich lehne meinen Kopf an die Kopfstütze und schließe die Augen.
„Die letzte Veranstaltung“, geht es mir durch den Kopf. Ich bin müde. Die letzten fünf Wochen war ich konstant auf Reisen. Als Mitglied der königlichen Familie von Terengien – einem mittelgroßen Inselstaat in der Nordsee – war es die letzten Wochen meine Aufgabe, unser Land und meine Familie auf all den internationalen Schauplätzen zu vertreten, auf denen man eben vertreten sein muss. Ich bin für dieses Leben nicht gemacht!
Viel lieber säße ich jetzt mit einem guten Buch und einer heißen Tasse von dem wundervollen schwarzen Tee, den mir mein Bruder vor ein paar Monaten aus Sri Lanka mitgebracht hat, auf der gemütlichen Couch in meinem Wintergarten. Gut geschützt von den Ginkgos und anderen kleinen Bäumen, die ihren Platz dort gefunden haben. Ich könnte mir einbilden, dass das Prasseln des Regens auf dem Dach des Wintergartens das Prasseln des Regens auf dem Urwalddach ist und ich in meiner Baumhöhle bin, wo mich niemand finden kann.
„Wir sind da, Sir“, durchdringt Max’ vertraute Stimme den Nebel von Gedanken in meinem Kopf.
Keine zwei Sekunden später reißt der livrierte Diener die Autotür auf. Der starke Wind schlägt sie ihm aus der Hand, während er mit dem umgekehrten und damit völlig nutzlosen Regenschirm ringt. Ich nicke ihm freundlich zu und sprinte die wenigen Meter bis zum rettenden überdachten Eingang des Palais auf rutschigen Sohlen über den nassen Boden. Ich kann mich gerade noch abfangen, bevor ich gegen einen älteren, weißhaarigen Bediensteten pralle, der im Schutze eines Regenschirms den Eingang bewacht.
„Herzlich willkommen, ihre Königliche Hoheit“, werde ich höflich begrüßt, natürlich begleitet von einer formvollendeten Verbeugung. Ich kann mir nicht helfen, ich bin beeindruckt von der Ruhe und Korrektheit, die dieser mir völlig unbekannte Mann auch noch inmitten dieses orkanartigen Unwetters aufbringt. Er ist fast wie das Auge des Sturms – die Ruhe selbst.
„Vielen Dank“, entgegne ich. Drinnen tauche ich in eine ganz andere, mir wohlbekannte Welt ein. Ich kann mir ein leises, mich meinem Schicksal ergebendes Seufzen nicht verkneifen. Wieder einmal ein scheinbar endlos großes Foyer, überall Gold und Marmor, echte Kerzen in den riesigen Kristalllüstern, pompöse Blumenarrangements in verschiedenen Orangetönen auf jeder nur denkbaren freien Fläche, Frauen in eleganten, langen Ballkleidern, über und über mit Schmuck behangen, Männer in formellen Anzügen, dazwischen Kellner im Frack mit schwarzen Fliegen, die sich mit gut gefüllten Tabletts durch die Menge schieben und dafür sorgen, dass der Alkoholspiegel der anwesenden Gäste hoch genug ist, um den Abend halbwegs erträglich zu gestalten.
Plötzlich bemerke ich eine vertraute Präsenz neben mir: Max. Ich atme gleich etwas leichter. Max hat mich schon aus so manch verzwickter sozialer Situation befreit. Aus den Augenwinkeln sehe ich sein schiefes Lächeln. Er ist fast 20 Jahre älter als ich, was man nur daran merkt, dass seine vollen Haare mittlerweile von einigen weißen Strähnen durchzogen sind. Und obwohl er circa zehn Zentimeter weniger als meine doch recht beeindruckenden – wenn ich selbst so sagen darf – 192 Zentimeter misst, ist er ein stattlicher, stets korrekter Mann. Er ist meine engste Vertrauensperson und meine bessere Hälfte – wie meine Familie stets zu scherzen beliebt. Wie er es allerdings an diesem Abend hier in diesen Raum geschafft hat, völlig trocken und ohne das auch nur ein Haar am falschen Platz ist, ist wieder einmal eines dieser Geheimnisse, die zu kennen nur Menschen vergönnt ist, die seit Jahrzehnten im Dienst einer königlichen Familie stehen. Heute ist sein Lächeln schiefer als sonst. Nicht nur ich bin müde.
„Es wird Zeit, dass wir nach Hause kommen“, raune ich ihm zu. Als Antwort wird sein Lächeln etwas breiter und eine kaum wahrnehmbare Verbeugung verstärkt seine Zustimmung zu meiner Aussage.
Mit Schaudern denke ich daran, dass Max mittlerweile die 60 überschritten hat. Was aus mir werden soll, wenn er sich einmal in den wohlverdienten Ruhestand mit seiner richtigen besseren Hälfte Isabel zurückzieht … Schnell breche ich den Gedanken ab, bevor ich in Versuchung komme, meine Sorgen in Champagner zu ertränken.
„Zwei Stunden, zweieinhalb maximal, dann sind wir hier raus“, füge ich noch leise hinzu und vernehme ein Glucksen als Antwort. Uns ist beiden klar, dass die Gastgeberin es uns nicht so leicht machen wird, die Party schnell wieder zu verlassen. Nachdem sie ja die „so große Ehre“ hat, ein Mitglied der königlichen Familie auf ihrer „bescheidenen Party“ vor Ort zu begrüßen – ihre Worte, nicht meine.
Wenn man vom Teufel spricht …
Schon kommt sie auf mich zu. Max flüstert mir noch schnell ihren Namen ins Ohr, den ich im nächsten Moment auch schon wieder vergessen habe. Mit ausgestreckten Armen, so als ob sie mich umarmen möchte, und mit lauter, schriller Stimmer verkündet sie – selbstverständlich für alle hörbar – ihre Willkommensworte. Ich merke, wie Max neben mir beginnt, sein Gewicht auf seine Zehenballen zu verlagern, um im Fall der Fälle dazwischen gehen zu können.
Zum Glück erinnert sich die übererfreute Gastgeberin im letzten Moment daran, mit wem sie es zu tun hat, und aus der Umarmung werden drei in die Nähe meiner Wangen gehauchte Küsschen.
Und schon geht es weiter. Ein Gesicht fließt beinahe ins nächste über – wie bei einem stockenden Daumenkino. Ich werde gefühlt einer Million Menschen herumgereicht. Menschen, die ich kennen sollte und deren Name Max mir – wie immer beständig und vertrauensvoll – ins Ohr murmelt, bevor ich mich und, schlimmer noch, meine Familie und mein ganzes Land wieder einmal bis auf die Knochen blamiere.
Aber auch mir vollkommen unbekannte Menschen sind da. Ihre Namen werden mir ehrlicherweise morgen schon wieder nichts mehr sagen.
Nachdem es unser letzter Abend ist und wir morgen endlich wieder nach Hause fahren dürfen, halte ich mich mit dem Alkohol zurück. Es macht keinen Sinn, mich so zu betrinken, dass ich den morgigen frühen Slot, den mein Privatflugzeug am Pariser Flughafen Charles de Gaulle bekommen hat, in Gefahr bringe, nur weil ich es nicht rechtzeitig aus den Federn schaffe.
Der Nachteil meiner selbstauferlegten Abstinenz ist, dass die Zeit noch langsamer vergeht als sonst. Drei Stunden später entschuldigt sich die Gastgeberin mit verlegenem Kichern, da sie sich kurz „die Nase pudern“ müsse.
Ich atme tief durch und nehme doch noch ein zweites Glas Champagner. Es sieht nicht so aus, als würde dieser Abend bald ein Ende haben. Während ich das Glas vom Tablett eines der vorbeigehen Kellner schnappe, fällt mein Blick auf die Tanzfläche.
„Masochist, Masochist, Masochist …“, dieses Wort rennt mir in Dauerschleife durch den Kopf. Fast muss ich schon über mich selbst lachen. Ich sollte meiner Therapeutin einen fetten Bonus zahlen. Noch ein Jahr zuvor wäre ich wohl in der gleichen Situation in Tränen ausgebrochen. Mein Champagnerglas habe ich auf einem der hohen Stehtische, die rund um die Tanzfläche verteilt sind, abgestellt. Alle sind mit bodenlangen weißen Tischdecken bedeckt, auch ein kleines Arrangement von orangefarbenen Rosen befindet sich auf jedem – natürlich im selben Orangeton wie das Kleid der Gastgeberin. Ich möchte nicht der Florist für diese Veranstaltung sein, geht es mir durch den Kopf. Es muss ein Horror gewesen sein, die richtige Farbnuance zu bekommen.
Mein gutes Bein versucht, im Rhythmus der Musik mit zu klopfen. Aber obwohl ich einen Teil meines Gewichts auf den hohen Stehtisch vor mir verlagert habe, kann mein schlechtes Bein nicht so viel meines Gewichts tragen, dass ich den Ballen vom Boden hätte abheben können. Trotzdem amüsiere ich mich köstlich. Gesellschaftstanz war zwar nie meine große Leidenschaft, ganz im Gegenteil zu Ballett. Aber Bettler dürfen wohl nicht wählerisch sein. Vielleicht bin ich jetzt endlich so weit, dass ich mich in eine Ballettaufführung wagen kann, ohne dass ich in eine tiefe Depression verfalle. Ich nehme mir vor, in meiner nächsten Stunde mit meiner Therapeutin das Thema einmal anzusprechen.
Ich kichere leise vor mich hin, während ich beobachte, wie eine – sagen wir einmal – eher korpulentere Dame um die 50 versucht, einen mindestens zwanzig Jahre jüngeren Mann mit viel Wimperngeklimper und Augenaufschlag um den Finger zu wickeln. Er hat offensichtlich Mühe, keine Miene zu verziehen, als sie ihm bereits zum dritten Mal auf die Zehen tritt – und das nur während der kurzen Zeit, in der ich die beiden beobachte.
„Die richtige Tanzpartnerin noch nicht gefunden?“, höre ich plötzlich eine unbekannte Stimme hinter mir.
Ohne mich umzudrehen, hebe ich meinen Gehstock, der neben mich an den Tisch gelehnt ist, hoch. Heute habe ich einen schwarzen, mit silbernen Ornamenten verzierten gewählt, da er perfekt zu solchen Anlässen wie diesem Ball passt.
„Eher ein Fall von Nicht-mehr-fähig-zu-tanzen.“
Der Schritt des Unbekannten stockt. Ich höre ein leises „Oh“.
Naja, ich hatte schon schlimmere Reaktionen.
Ich drehe mich zu Seite und sehe einen der attraktivsten Männer, die der europäische Hochadel-Hochzeitsmarkt derzeit zu bieten hat. Mit einer leichten Schamesröte im Gesicht steht er neben mir, der Bruder des Königs von Terengien. Er beißt sich unsicher auf seine füllige Unterlippe. Seine strahlend grünen Augen haben mich voll im Blick, allerdings liegt auch eine vorsichtige Zurückhaltung darin. Er scheint besorgt zu sein, wie ich auf seine unbeabsichtigt unpassende Frage reagiere. Irgendwie süß.
Sofort greift die mir von Kleinkindesbeinen an eingeprägte Erziehung und ich verbeuge mich mit einem: „Ihre Königliche Hoheit.“
„Es tut mir leid, ich wollte nicht unangenehme Erinnerungen wecken“, kommt es fast schüchtern zurück, „und nennen Sie mich Leo.“ Er streckt mir seine Hand mit den langen weißen Pianistenfingern entgegen.
Erstaunt ziehe ich eine Augenbraue hoch, schüttle jedoch ohne zu zögern seine Hand.
„Guillaume, es freut mich sehr, Sie kennenzulernen!“
„Guillaume“, es scheint fast so, als ob er meinen Namen auf seinen Lippen testen würde, „das ist die französische Form von William, nicht wahr?“
„Ja, Sir.“
„Leo.“
„Ja, Leo.“
Sein Name fühlt sich wie Samt an und ich merke, wie sein Blick seinem Namen auf meinen Lippen folgt.
„Was gibt es hier so Spannendes zu sehen?“, fragt er nach einer kurzen Pause und wir beide drehen uns wieder zur Tanzfläche.
Um etwas Zeit zu schinden, lehne ich meinen Gehstock wieder vorsichtig an den Tisch und stütze mich ab.
„Ich beobachte einfach gerne Menschen.“
„Irgendjemand bestimmter, der dir heute ins Auge gestochen ist?“
Uns beiden entgeht nicht, dass der Prinz auf die informelle Anredeform gewechselt hat. Ich weiß nicht, ob das für ihn üblich ist. Da bemerke ich aus den Augenwinkeln leicht schräg hinter ihm einen älteren Mann. Auf verschiedenen Fotos der Königlichen Hoheit war er immer wieder im Hintergrund zu sehen. Ich vermute, dass er der Privatsekretär oder Valet des Prinzen ist.
Der Blick des Mannes streicht mit großem Erstaunen über mich. Also, vielleicht ist es doch nicht die übliche Art seines Herren, neue Bekanntschaften zu duzen.
Ich überlege fieberhaft, ob meine Obsession mit dem ungleichen Paar ein passender Gesprächsstoff ist. Nachdem die beiden sich im Moment aber auf der anderen Seite der Tanzfläche befinden, entscheide ich mich dagegen.
„Ich habe mir gerade überlegt, wie unterschiedlich und doch wieder ähnlich die Tanzschritte des Walzers im Ballett und im Gesellschaftstanz interpretiert werden“, weiche ich lahm der eigentlichen Frage aus. Unerwarteterweise löst das bei meinem Gesprächspartner eine freudige Reaktion aus.
„Oh, du bist auch ein Fan des Balletts.“
Mit einem Funkeln in den Augen dreht sich Leo wieder leicht mir zu.
Und schon wieder bin ich in der Bredouille. Ich seufze.
„Bis zu meinem Unfall war ich selbst Balletttänzer.“
Wieder lösche ich das Funkeln aus seinen Augen.
„Das tut mir leid. Ich scheine heute wohl jedes einzelne Fettnäpfchen zu finden“, seufzt Leo.
„Erstens konnten Sie …“
„Du…“, korrigiert er mich sofort.
Lächelnd beginne ich von vorne.
„Erstens konntest du das nicht wissen und ehrlich gesagt: Mein Unfall ist zwar schon fast 20 Jahre her, aber ich fange erst jetzt langsam an, Tanz, in welcher Form auch immer, wieder genießen zu können.“
Eigentlich möchte ich meinen Blick nach diesem nicht so ganz geplanten Geständnis beschämt abwenden, aber seine offenen, verständnisvollen grünen Augen halten mich gefangen. Normalerweise vermeide ich es, über dieses Thema zu sprechen, und wenn ich ehrlich mit mir selber bin, hätte ich auch hier das Gespräch wahrscheinlich auf etwas anderes lenken können. Aber irgendwie fühlt es sich mit Leo anders an – seltsam. Also rede ich weiter: „Ich habe mir gerade gedacht, dass – nachdem mich das Zuschauen hier so amüsiert – ich vielleicht bereit bin, mich doch bald einmal in eine Ballettvorstellung zu wagen.“
Er klopft mir auf die Schulter und seine Berührung durchzuckt mich bis in die Zehenspitzen. So etwas, so eine absolut sofort auftretende Anziehung habe ich noch nie erlebt. Sie nimmt mir kurz den Atem. Auch Leo scheint zumindest irgendetwas wahrzunehmen. Sein Blick ist erstaunt, als er seine Hand langsam zurückzieht. Er dreht sich wieder den Tanzenden zu.
„Vielleicht können wir ja gemeinsam gehen, ich war schon ewig nicht mehr im Ballett. Was wird denn hier gerade gespielt? Ist die Inszenierung gut?“
Ich verpasse beinahe seine Fragen, so sehr bin ich damit beschäftigt, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Mittlerweile hat sich Leo auch an meinen Tisch gelehnt und unsere Oberarme und Schultern berühren sich bei Bewegungen immer wieder – was mir nicht gerade dabei hilft, mich zu konzentrieren. Ich muss wohl einige Sekunden zu lange mit der Antwort gewartet haben, denn er dreht mir mit fragend erhobener Augenbraue den Kopf zu.
Endlich gelingt es mir, den Satz auszusprechen: „Keine Ahnung. Ich habe seit meinem Unfall kein Opernhaus mehr betreten.“
Es ist wie ein Stich ins Herz, als ich den attraktiven Mann neben mir diesen Satz murmeln höre. Ich kann ihn mir nur zu gut als Tänzer vorstellen. Gut einen halben Kopf kleiner als ich, schlank und sehnig, hat er trotz der offensichtlichen Probleme mit seinem Bein eine Haltung und Eleganz an sich, die ich selten so an jemandem beobachtet habe. Sein schulterlanges blondes Haar ist im Nacken zusammengefasst und ich frage mich, wie weich seine Haut dort ist. Warum überlege, wie sich die Haut in seinem Nacken anfühlt?
Schnell stelle ich eine weitere Frage, bevor mich meine Introspektion noch weiter aus der Bahn wirft.
„Darf ich dich fragen, was du für einen Unfall hattest?“, flüstere ich leise und schiebe vorsichtshalber gleich hinterher: „Bitte fühle dich nicht gezwungen zu antworten. Sag ruhig, wenn du darüber nicht reden möchtest.“
Noch während ich die Sätze ausspreche, bereue ich sie. Obwohl sein Gesicht nach wie vor ein offenes und freundliches Lächeln zeigt, wird es zu einer Maske. Guillaume wendet seinen Blick ab – seinen Blick, der mich die letzten Minuten so fasziniert hat wie noch nie etwas anderes in meinem Leben.
Sein Adamsapfel bewegt sich, während er schluckt. Ich setze zu einer Entschuldigung an, als er seinen Kopf wieder hebt und mir mit entschlossenem Blick in die Augen schaut.
„Ich war Teil der Masterclass an der Pariser Oper. Alle sagten mir eine große Zukunft voraus. Sie meinten, ich sei eine der neuen Größen des Balletts, ein Hoffnungsträger, der unsere Kunst wieder mehr in den Mainstream bringen würde. Dann war da eine Probe – eine von vielen, vielen Proben. Alles war ganz normal. Wie immer. Ich tanzte gerade ein Solo, als ich plötzlich Schreie hörte. Das ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann.“
Guillaume schluckt. Ich merke, wie er sich zwingen muss, über seinen Unfall zu sprechen. Ich verfluche mich innerlich dafür, dass ich dieses Thema angeschnitten habe. Aber dieser Mann fasziniert mich dermaßen, dass ich einfach alles über ihn wissen möchte. Doch in diesem Fall wäre es wohl besser gewesen, meine Neugier zu zügeln. Ihn am Rande der Tränen zu sehen und zu wissen, dass es meine Schuld ist, dass er in so einem schlechten Zustand ist, bricht mir beinahe das Herz.
Während ich fieberhaft überlege, wie ich das Gespräch wieder in andere Bahnen lenken kann, fährt er leise und mit zitternder Stimme fort: „Zwei Tage später bin ich dann im Krankenhaus aufgewacht. Anscheinend haben sich bei einem der großen Scheinwerfer die Schrauben gelockert, ohne dass jemand etwas bemerkt hat. Und gerade als ich auf der riesigen Bühne zu einem Sprung ansetzte, fiel der Scheinwerfer auf mich. Er zerschmetterte meine Hüfte, brach meinen Oberschenkel an drei Stellen.“
Guillaumes Blick wird leer. Die Verzweiflung, die er damals gespürt haben muss, als er im Krankenhaus aufgewacht ist, ist für mich beinahe mit Händen greifbar. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich würde alles tun, um ihn von diesem Schmerz zu befreien.
„Es war ein Glück, das meine Wirbelsäule nicht verletzt wurde. Trotzdem waren die Ärzte der Meinung, dass ich wahrscheinlich nie wieder richtig werde gehen können, geschweige denn tanzen. Mit dem Zweiten sollten sie recht behalten. Das Gehen ließ ich mir nicht nehmen. Nach über einem Jahr in der Reha und mehr als zehn Operationen war ich endlich wieder in der Lage, mich mit meinen eigenen Füßen zu bewegen.“
Ohne dass ich es bemerkt habe, hat – während Guillaume seine Geschichte erzählt hat – meine Hand die seine auf dem Tisch vor uns gefunden. Irgendwie fühlt es sich seltsam an, seine große Hand so beinahe intim in der meinen zu haben. Auf der anderen Seite kann ich nicht anders, als über die zarte, weiche Haut zu streicheln. Es fühlt sich … richtig an.
So befinde ich mich in der erstaunlichen Lage, dass ich in aller Öffentlichkeit quasi händchenhaltend mit einem anderen Mann dastehe. Schnell drücke ich seine Hand einmal und versuche, all meine Unterstützung und meine Trauer über seine verlorene Leidenschaft in diese Berührung zu legen – denn mit jedem seiner Worte war klar, dass Ballett für ihn kein Beruf, sondern eine Berufung war. Dann ziehe ich meine Hand schnell zurück.
Ich weiß nicht, was es mit diesem Mann auf sich hat, aber ich scheine magnetisch von ihm angezogen zu werden. Normalerweise bin ich überhaupt nicht der Touchy-Feely-Typ. Gerade was Körperkontakt angeht, war ich schon immer eher reserviert oder ein kalter Fisch, wenn man den Worten mancher meiner Ex-Freundinnen Glauben schenken will. Es scheint aber, als könnte ich – bewusst oder unbewusst – meine Finger nicht von ihm lassen und es kostet mich einiges an mentaler Stärke, meine Hand bei mir zu behalten und sie nicht wieder sofort nach ihm auszustrecken. Was ist bloß mit mir los?
„Es tut mir leid, dass du das durchmachen musstest“, versuche ich mich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
Guillaume zuckt mit den Schultern.
„Unfälle passieren.“
„Ja, nur ist es scheiße, wenn man selbst der Betroffene ist.“
Bei der Benutzung des Schimpfwortes sieht Guillaume mich erstaunt an. Dann fangen seine Augen an, neckisch zu funkeln.
„Ihre Königliche Hoheit, nie hätte ich gedacht, dass Sie solche Wörter in den Mund nehmen!“, zieht er mich in gespielt empörtem Ton auf.
Ich kann ein lautes Lachen nicht zurückhalten und werde mit einem – jetzt wieder strahlenden und offenen –
Gesicht dafür belohnt.
Leider bemerke ich in dem Moment, dass der laute Ausdruck meines Wohlgefallens auch die Aufmerksamkeit unserer Gastgeberin auf mich gezogen hat. Sie hat mich offensichtlich schon gesucht. Jetzt stürmt sie mit eilig trippelnden Schritten, mit schrillen Freudenbekenntnissen, so schnell es ihre High Heels – oder High Hells wie meine beste Freundin Amy zu sagen pflegt – erlauben, auf mich zu.
Mit einem Seufzen wende ich mich wieder meinem Gesprächspartner zu, der mir ein schiefes Lächeln und eine hochgezogene Augenbraue schenkt. Dies zaubert auch auf mein Gesicht ein Grinsen. Was hat dieser Mann an sich, dass mich nichts aus meiner guten Laune bringen kann?
„Max“, noch bevor ich seinen Namen zu Ende gesprochen habe, hat mir mein treuer Begleiter auch schon diskret eine meiner Visitenkarten und einen Kugelschreiber zugesteckt. Er kennt mich wirklich besser als ich mich selbst.
Ich nehme den Stift und kritzle unter meinen, in Gold geschriebenen Namen meine Nummer auf das dicke Papier.
„Das ist meine private Handynummer“, erkläre ich Guillaume. Ich drücke ihm die Karte rasch in die Hand, bevor unsere Gastgeberin endgültig bei unserem etwas abgelegenen Tisch ankommt.
„Schreib mir …“
Bevor ich noch etwas Weiteres sagen kann, werde ich mit überbordenden, enthusiastischen Rufen von der Dame des Hauses weitergezogen, um noch andere wichtige Menschen zu treffen. Auf meinen Weg kann ich es mir nicht verkneifen, noch einmal nach hinten zu blicken. Was würde ich nur dafür geben, wenn ich jetzt nicht mein Land und meine Familie vertreten müsste, sondern die Freiheit hätte, bei Guillaume stehen zu bleiben. Ich habe das seltsame Gefühl, dass ein Stück von mir bei diesem Mann zurückbleibt. Ich kann mir fast nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm bis in die führen Morgenstunden über Gott und die Welt zu reden.
Mein Blick fällt nicht nur auf die immer noch in Amüsement hochgezogene Augenbraue von Guillaume, sondern auch den nachdenklichen Blick von Max. Ich hoffe, meine bessere Hälfte kann mit all dem, was heute Abend vorgefallen ist, mehr anfangen als ich.
Die nächste halbe Stunde zieht sich unerträglich lang hin. Meine gute Stimmung verlässt mich allerdings nicht, denn wiederholt vibriert mein Handy in meiner Brusttasche und löst jedes Mal einen Hoffnungsschimmer in mir aus, dass es vielleicht eine Nachricht von dem erstaunlichen Mann sein könnte, den ich heute Abend getroffen habe.
Erstaunt blicke ich dem attraktiven Prinzen hinterher.
Leo … Wer hätte gedacht, dass dieser Abend mehr als Langeweile bringen könnte. Eigentlich war ich nur gekommen, damit mein Vater zu Hause bleiben konnte und nicht die für ihn aufgrund seines mittlerweile vorgeschrittenen Alters beschwerliche Reise nach Paris antreten musste.
Ich merke, wie meine Finger über das hochwertige Papier der Visitenkarte streichen, und spüre dem tief ins Papier eingeprägten Namen nach.
Leo … Irgendwie kann ich es gar nicht fassen. Ja, natürlich wusste ich, dass seine Königliche Hoheit heute Abend auf dem Fest sein würde. Wer wusste es nicht … Madame Dubois hatte ja seit Wochen von nichts anderem mehr gesprochen und ich glaube, die Hälfte der Leute waren heute nur gekommen, um zu schauen, ob seine Königliche Hoheit wirklich erscheinen würde.
Leo … Irgendwie passt der Name perfekt und doch … er wirkt viel näher, viel intimer, als ich es mir je hätte vorstellen können. „Die Macht der wahren Namen“ kam mir ein Bericht in den Sinn, den ich vor langer Zeit einmal gelesen hatte. Vielleicht war da doch etwas dran.
Ich blicke ungläubig auf die Karte in meinen Händen und sehe die hingekritzelte Nummer. Und obwohl Kalligrafie anders aussieht, erweckt sie in mir ein wohlig warmes, ja vertrautes Gefühl. Ich schmunzle wieder in mich hinein. Irgendwie passt diese eckige Schrift zu meinem Leo.
Mein Leo?
Ernsthaft, liebes Unterbewusstsein? Die paar Minuten, auch wenn sie zu den intensivsten Erlebnissen meines Lebens gehören, machen ihn sicher nicht zu meinem Leo.
Aber warum fühlt es sich dann so richtig an?
Ist dieser Mann überhaupt an Männern interessiert? Ich hatte noch nicht einmal Gerüchte in diese Richtung gehört. In den Zeitungen ist er immer nur mit diversen Frauen zu sehen. Ständig einer anderen. Überkompensation?
Wieder schaue ich auf die Karte. Seine private Handynummer. Ob er die wohl oft ausgibt? Der Reaktion seines Dieners nach zu urteilen, war sein heutiges Verhalten nicht gerade üblich.
Ist es wirklich seine private Nummer?
Ich starre auf die Karte. In dem Moment schwebt die korpulente Dame von vorhin so knapp an meinem Tisch vorbei, dass er wohl umgefallen wäre, wenn ich nicht an ihn gelehnt hätte. Diesmal liegt sie im Arm eines noch jüngeren Mannes, der seine Gesichtszüge weniger gut unter Kontrolle hat als ihr letzter Tanzpartner.
Grinsend nehme ich mein Mobiltelefon in die Hand und schieße ein Bild. Wie es der Zufall will, drücke ich gerade in dem Moment ab, in dem sie ihn wohl zum schon wiederholten Male auf die Zehen tritt. Sein Gesichtsausdruck ist Gold wert! Vor mich hin kichernd, schicke ich das Foto an die auf der Visitenkarte stehende Nummer.
Ich blicke quer durch den Saal. Madame Dubois stellt Leo gerade einer Gruppe älterer Herren vor, die meisten sind gute Bekannte meines Vaters. Zweien von ihnen sind vor Ewigkeiten mit ihm zusammen in die Schule gegangen.
Ich muss kichern, als ich mich an ihre Oldtimer- und Whiskeygeschichten erinnere. Was hat Leo wohl zu diesen Themen zu sagen?
Leos Hand bewegt sich plötzlich zu seiner Brusttasche, bevor er sich wieder fängt und ein Lächeln über seine vollen Lippen spielt.
Vielleicht ist es doch seine private Handynummer?
Endlich! Nach einer gefühlten Ewigkeit schaffe ich es, mich erstaunlich höflich von unserer Gastgeberin zu verabschieden. Was so gute Laune doch ausmacht.
Max ist schon vor ein paar Minuten still und heimlich verschwunden und ich bin mir sicher, dass er, sobald ich auch nur einen Schritt vor die Haustür setzte, dort mit der Limousine auf mich wartet.
Mein Handy brennt richtiggehend in meiner Brusttasche. Ich spüre die Vibration des Handys bei der ankommenden Nachricht noch immer. Meine Finger zucken. Sie wollen es herauszunehmen und endlich sehen, ob die Nachricht wirklich von Guillaume ist. Ich presse die Zähne fest aufeinander und bitte um Geduld, während mir höflich in meinen Mantel geholfen wird.
Geduld!
Geduld ist eine Tugend, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte. Leider verfügen weder ich noch sie über eine große Portion davon.
Endlich – endlich setze ich meinen Fuß durch die Tür und bin draußen. Endlich lasse ich diese langweilige Veranstaltung hinter mir. Tief atme ich die kalte, frische Luft ein. Leider hat weder der tiefe Atemzug noch die angenehme Kühle eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich dachte eigentlich, dass ich heute Abend nur froh ins Bett fallen würde – mit dem einzigen Gedanken: morgen endlich wieder zu Hause zu sein. Stattdessen vibriert mein ganzer Körper. So als ob nicht mein Handy die SMS empfangen hätte, sondern ich selbst. Ich kann es nicht erwarten, endlich einen Blick auf das kleine elektronische Gerät werfen zu können. Ich verstehe nicht, warum mich eine potenzielle Nachricht von Guillaume dermaßen aufwühlt. Reiß dich zusammen, ermahne ich mich. Meine Hand versucht, an meine Jackentasche zu kommen, aber sie zittert zu sehr.
Zum Glück steht da auch schon Max mit dem Auto. Meine Geduld ist mehr als am Ende. Ich warte nicht mehr die fünf Schritte ab, bis ich im Auto sitze. Meine Finger fangen sofort an, ungeschickt an meiner Jacke herumzufummeln, um mein Handy endlich, endlich, endlich aus der Brusttasche zu bekommen. Dabei bin ich mir völlig bewusst, dass Max mich keine Sekunde aus den Augen lässt – wahrscheinlich schüttelt er fast unmerklich seinen Kopf.
Endlich, endlich gelingt es mir, das Telefon herauszuziehen.
Und – es fällt mir gleich fast aus der Hand, fast auf den Boden, so hölzern und unbeholfen sind meine Bewegungen.
Max tritt von seinem Platz neben der Autotür, die er für mich geöffnet hatte, einen Schritt nach vorne. Geschickt fängt er meine Hand ab – glücklicherweise mitsamt des Handys – und drückt sie bestimmt an meine Brust. Während er meinen Körper einen Schritt nach vorne führt und mir hilft, mich erstaunlich elegant auf dem Rücksitz des Autos niederzulassen.
„Atmen, Sir“, murmelt er mir zu.
Dankbar schaue ich ihn an, während er die Autotür schließt. Ich schließe kurz die Augen, nehme einen tiefen Atemzug und führe dann die Hand mit dem Handy, die immer noch fest gegen meine Brust gedrückt ist, vorsichtig nach vorne.
Drei Nachrichten von einer unbekannten Nummer.
Innerlich danke ich allem, was heilig ist, für Face-ID. Meine zitternden Finger wären im Moment wohl nicht dazu in der Lage, eine PIN einzugeben.
Die erste Nachricht besteht aus einem Foto von zwei Tänzern: einer etwas älteren Frau, die im siebten Himmel zu schweben scheint, und einem wesentlich jüngeren Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht. Offensichtlich stammt das Bild von der Tanzfläche, an der ich Guillaume getroffen habe. Ich kann mir schon zum zweiten Mal an diesem Tage ein lautes Lachen nicht verkneifen. Max’ amüsierter Blick im Rückspiegel macht mir das für mich völlig untypische Verhalten, noch einmal mehr als bewusst.
„Lustiges Foto“, sage ich zu Max.
„Es tut gut, Sie mehr Lachen zu hören, Sir“, kommt darauf vom Fahrersitz zurück. „Vielleicht sollten Sie schauen, dass Sie solch positive Einflüsse in Ihrem Leben behalten.“
Erstaunt hebe ich meinen Blick vom Telefon in meiner Hand wieder hoch zum Rückspiegel. Aber Max hat sich bereits wieder der Straße zugewandt, so als ob nichts gewesen wäre.
Ich starre noch einen Moment nach vorne, bevor ich mich wieder meinem Handy zuwende.
Da entdecke ich eine Textzeile unter dem Bild:
Des einen Freud, des anderen Leid
Gefolgt ist die Nachricht von einem zwinkernden Smiley.
Noch bevor ich die anderen Nachrichten auch nur lese, bin ich schon dabei, eine Antwort zu tippen:
Sollte Tanzen nicht für alle eine Freude sein
Noch während ich auf Senden drücke, bereue ich es schon wieder – als mir Guillaumes Verletzung in den Sinn geschossen kommt. Ich kneife ich Augen verzweifelt zusammen und stoße meinen Kopf mehrfach gegen die Kopfstütze. Ich bin so ein Idiot!
In dem Moment spüre ich das Handy in meiner Hand vibrieren.
Zaghaft blicke ich auf das Display. Zum Glück erscheint dort ein tränenlachender Smiley und:
Wo du recht hast …
Ein erleichterter Seufzer kommt tief aus meiner Seele. Guillaume ist mir nicht böse. Ich habe unsere beginnende … Freundschaft? Warum fühlt sich dieses Wort so falsch an?
Was soll es sonst sein? Freundschaft, ja, Freundschaft!
Ich habe sie jedenfalls nicht mit meiner ersten SMS ruiniert.
Erleichtert blicke ich wieder auf mein Handy. Meine Mundwinkel ziehen sich noch ein gutes Stück weiter nach oben, als ich wieder auf den tränenlachenden Smiley blicke.
Ich scrolle hoch. In meinem Eifer, Guillaume zu antworten, habe ich seine anderen Nachrichten noch nicht einmal gelesen.
Nachricht Nummer zwei besteht nur aus Text:
Hier ist übrigens Guillaume, falls du dich wundern solltest, wer dir seltsame Bilder von tanzenden älteren Damen mit komischen Sprichwörtern darunter schickt
Auch auf diese Nachricht antworte ich sofort:
Von den heute Abend Anwesenden bist du der Einzige, der meine private Nummer hat, also … Schön von dir zu hören
Ich lese die Nachricht noch dreimal, bevor ich sie endgültig absende. Ich will nicht gleich schon wieder in das nächste Fettnäpfchen treten.
Sofort erscheinen die drei Punkte auf dem Display, die mir anzeigen, dass Guillaume eine Antwort tippt. Wenige Sekunden später erscheint auch schon eine neue Nachricht:
Hab mich sehr gefreut, dich heute kennenzulernen
Mein Herz schlägt schneller, als ich die Nachricht lese. Plötzlich reißt mich Max’ Stimme aus meinem intensiven Fokus: „Wollen Sie heute noch einen Spaziergang machen, Sir?“
Überrascht lasse ich mir Max’ Vorschlag durch den Kopf gehen. Ich neige nicht dazu, abends alleine durch Städte zu streifen, mit denen ich nicht wirklich vertraut bin. Aber ich kenne jetzt ja einen Einheimischen.
Die letzten Tage hatte ich kaum eine Möglichkeit, mich zu bewegen. Fünf europäische Hauptstädte in sieben Tagen, da ist neben den Pflichtveranstaltungen, wegen denen ich hingeflogen bin, nur noch Zeit für etwas Schlaf. Dann geht es schon wieder ab ins Flugzeug. Gott, ich bin so erschöpft! Sowohl körperlich als auch psychisch. Ich will endlich einfach nur einmal wieder Ich sein und nicht der Prinz von Terengien. Da kommt mir eine Idee.
Nach dem Wolkenbruch vor wenigen Stunden ist die Luft jetzt herrlich frisch und mein Hotel liegt gleich an einem Park.
Ohne Max zu antworten, tippe ich Guillaume schnell eine SMS:
Hast du Lust auf einen Spaziergang?
Beinahe sofort erscheint eine Antwort auf meinem Display:
Wenn es dir egal ist, im Schneckentempo zu gehen … aber nach dem ganzen Herumstehen könnte mein Fuß ganz gut etwas Bewegung vertragen
Nach der Antwort bin ich wieder hin und her gerissen, ob es eine gute Idee war, einen Menschen, der offensichtlich Probleme mit dem Gehen hat, zu einem Spaziergang einzuladen. Auf der anderen Seite scheint ihm der Vorschlag zu gefallen.
Wollen wir uns bei meinem Hotel treffen?
Gerne, in welchem wohnst du?
Ich frage Max nach der Adresse, die er mir ohne das geringste Anzeichen von Überraschung in der Stimme sofort mitteilt und schicke die Information an Guillaume.
20 min beim Eingang zum Park?
Ich antworte mit einem Daumen hoch und drücke mein Handy wieder an meine Brust, während ich auf die dunklen Straßen hinausblicke.